Eigentlich wollten DEEP PURPLE sich nach ihrer formidablen 2017er Scheibe INFINITE so langsam Richtung Rente rausschleichen. Aber schon im vergangenen Jahr mehrten sich die Anzeichen, dass sie noch ein Album dranhängen würden. Und so gruben sich Ian Gillan, Ian Paice und Roger Glover mit ihren Kollegen Don Airey und Steve Morse nochmals bei Produzenten-Veteran Bob Ezrin in dessen Studio in Nashville ein und meißelten 13 neue Nummern in die Rille. Der Unterschied zum Vorgänger ist allerdings überraschend. Das Altherren-Quintett neigt zu allerlei Experimenten, die sicher einen Teil der Anhängerschaft leicht stirnrunzelnd zurücklassen. Denn so zurückhalten wie auf „Whoosh!“ wurde eigentlich noch nie in der tieflilanen Rockfabrik geschraubt. Schon die Vorab-Singles gaben einen Vorgeschmack, dass es diesmal ungewöhnlich weit in Richtung Progrock, mit einem Hang zu Soundcollagen, gehen dürfte. Der wabernde Mittelteil des apokalyptischen „Man alive“ deutete das schon an. Auch das sphärische „Step by step“ liegt eigentlich etwas außerhalb der klassischen PURPLE-Schwankungsbreite. Auffällig ist auch der (eher anstrengende) Hang zu mit Synthie-Chören unterstützten Refrains. Eher ungewöhnlich für die Band. Allerdings gibt es natürlich auch ein paar klassische Rocker wie „Throw my bones“, „What The What“ und oder „The Long Way Round“. Nur rockt es eben nicht mehr ganz so hart wie früher und nicht jeder Song hat Klassikerpotential. So ist die Bonusnummer „Dancing In My Sleep“ eher mau. Auch ist unüberhörbar, dass Ian Gillans Stimme zunehmend altert. Er hat dann und wann schon ziemlich zu kämpfen.
Auch wenn die Scheibe nicht ganz an den Vorgänger heran kommt, sprudelt aus jedem Takt die überbordende Virtuosität, Erfahrung und Eingespieltheit der Band. Das ist alles immer noch allererste Sahne. Kreativ tot ist die Band jedenfalls nicht. Auch nach über einem halben Jahrhundert haben sie noch neue Ideen im Angebot. Eben nur andere, als vor ein paar Jahrzehnten. Ein ungelöstes Geheimnis bleibt, warum man sich entschlossen hat, die Eröffnungsnummer des 1968er PURPLE-Debüts „And The Address“ am Ende des Albums neu aufzunehmen. Ian Paice ist der einzige Musiker, der an beiden Aufnahmen beteiligt war. Vielleicht ist es dann doch der dezente Wink mit dem Zaunpfahl, dass die Geschichte der Band damit endet. -nhs
2. Drop The Weapon
3. All The Same In The Dark
4. Nothing At All
5. No Need To Shout
6. Step By Step
7. What The What
8. The Long Way Round
9. The Power Of The Moon
10. Remission Possible
11. Man Alive
12. And The Address
13. Dancing In My Sleep (Bonus Track)